Autor(en)
Mares Ann
Ursprung

Dokumentationszentrum über die Vlaamse Rand, 2009 (Anpassungen im Jahr 2014)

Organisation
Documentatiecentrum Vlaamse Rand
Jahr
2009
Sprache
DE
rand abc

Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV) ist den ehemaligen Stimm- und Gerichtsbezirk, die aus den Kantonen der Region Brüssel-Hauptstadt und der Provinz Flämisch-Brabant (Halle-Vilvoorde) in der Region Flandern besteht.

BHV war damit der einzige Stimmbezirk in Belgien, der mehrere Regionen und Sprachgebiete überlappt. In BHV kann man daher bei Parlaments- und Europawahlen sowohl niederländischsprachige, als auch französischsprachige Parteien abgestimmt werden. Das gilt nicht nur für die zweisprachigen Kantone, sondern auch für eine Reihe einsprachiger niederländischer Wahlkreise. Das hat zur Folge, dass Parteiführer aus dem französischsprachigen Teil Brüssels im einsprachig niederländischen Gebiet auf den Listen für das föderative Parlament aufgestellt werden.

Aufgrund seiner heterogenen Zusammenstellung machte der Bezirk BHV bereits seit langem eine gemeinsame Streitfrage dar. Die Festlegung der Sprachgrenze, die Einteilung in Sprachgebiete und die aufeinanderfolgenden Staatsreformen zielten darauf ab, die sprachlichen Gegensätze zwischen den Gemeinschaften mit Hilfe einer schrittweisen Evolution in Richtung sprachhomogener Gebiete (das Territorialitätsprinzip: die Regionalsprache ist Verwaltungs- und Unterrichtssprache), in Kombination mit der Sprachgesetzgebung und den Vereinbarungen in Zusammenhang mit der Vertretung von Minderheiten in den einsprachigen Bezirken und in der zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt, zu beseitigen.

brussel halle vilvoorde kaart
Stimmbezirk Brussel-Halle-Vilvoorde, Studiedienst van de Vlaamse Regering

Die Spaltung des Stimmbezirks wurde an der flämischen Seite als Abschluss des Föderalisierungsprozesses gesehen. Seit den 60er Jahren haben flämische Politiker wiederholt Gesetzesvorschläge zur Spaltung des Wahlkreises eingereicht. Die Initiatoren sind davon überzeugt, dass eine schlüssige Regelung in dieser Hinsicht die gemeinschaftlichen Spannungen definitiv beseitigen könnte. Die flämische politische Klasse war sich über die Notwendigkeit einer Spaltung des Stimmbezirks einig. Dieselbe Solidarität ist allerdings auf der französischsprachige Seite spürbar. Da stoßen die flämischen Spaltungsvorschläge auf ein 'Njet', weil die französischsprachigen Parteien die Wähler aus Halle-Vilvoorde nicht verlieren und die Beziehung zu den so genannten Fazilitätengemeinden aufrechterhalten möchten. Außerdem betrachten französischsprachige Politiker Brüssel-Halle-Vilvoorde als einen der letzten Puffer gegen die flämische Unabhängigkeit. Sie betrachten die Erweiterung des zweisprachigen Statuts um die sechs Randgemeinden und eventuell noch weiter als definitive Lösung für die Regelung des gemeinschaftlichen Konflikts. BHV hat sich dadurch zu einem Fall mit Symbolcharakter entwickelt, in dem flämische und französischsprachige Politiker im krassen Gegensatz stehen.

Wahlkreis, der im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz steht

Brüssel-Halle-Vilvoorde ist heute der einzige Bezirk, in dem bei Parlamentswahlen nicht der provinziale Wahlkreis gilt. Seit 2002 verlaufen die anderen Wahlgrenzen im Lande schließlich auf den Provinzgrenzen. Über die Neueinteilung der Wahlkreise in BHV und Löwen konnte man sich damals allerdings nicht einigen. Der Kompromiss war ein kompliziertes System, in dessen Rahmen die Stimm- und Sitzverteilung der Wahlkreise BHV, Löwen und Nivelles miteinander verbunden wurden. Das Verfassungsgericht (der frühere Schiedshof) stellte in einem Urteil aus dem Jahre 2003 fest, dass die heutige Einteilung von Belgien in Wahlkreise, aufgrund der Asymmetrie zwischen den provinzialen Wahlkreisen und denen in Flämisch-Brabant und Brüssel, unhaltbar ist. Für diese 'unannehmbare Ungleichheit' sollte vor den nächsten Parlamentswahlen (2011) eine Lösung gefunden werden. Die flämischen Parteien betrachteten dieses Urteil als eine Bestätigung der Notwendigkeit einer Spaltung des Wahlbezirks, während die französischsprachige Seite selbst dem Erhalt der alten Einteilung in Bezirke der Spaltung von BHV Vorzug gäbe.

Spaltungsvorschlag in der Kammer

Die Frage Brüssel-Halle-Vilvoorde war einer der wichtigsten Einsätze der Parlamentswahlen vom 10. Juni 2007. Ein Kompromiss über die Spaltung des Wahlkreises, möglicherweise als Teil einer großen Staatreform, erwies sich für die Verhandlungsführer der Regierung, u.a. aufgrund des vorherigen gemeinschaftlichen Übergebots, als nicht machbar. Da ein Kompromiss ausblieb, haben einige flämische Volksvertreter einen neuen Spaltungsvorschlag eingereicht. Im Ausschuss für innere Angelegenheiten der Kammer folgte am 7. November 2007 eine historische Abstimmung zu diesem Thema, bei dem die flämischen Mitglieder des Ausschusses, mit Ausnahme einer Enthaltung, der Vorlage bezüglich der Spaltung des Wahlbezirks zustimmten. Die Abstimmung wurde historisch genannt, weil die niederländischsprachigen Mitglieder ihre Mehrheitsstellung zum ersten Mal ausgenutzt haben. Die französischsprachige Gemeinschaft hat daraufhin ein Interessenkonfliktverfahren eingeleitet. Dadurch konnte die Schlussabstimmung in der Plenarsitzung verschoben werden. Als in den darauf folgenden sechs Monaten innerhalb des Beratungsausschusses der Gemeinschaften und Bezirke keine Lösung gefunden werden konnte, landete die Vorlage erneut im Parlament. Bei der Behandlung in der Plenarsitzung im Mai 2008 haben die französischsprachigen Parteien Änderungsanträge eingereicht, die dem Staatsrat zur Begutachtung vorgelegt wurden. Auch die Französische Gemeinschaftskommission der Region Brüssel (COCOF) hat daraufhin ein Interessenkonfliktverfahren eingeleitet. Dadurch wurde die Behandlung der Gesetzesvorlagen aufgrund eines obligatorischen Konzertierungszeitraums erneut um ein paar Monate verschoben.Im Januar 2009 machte das wallonische Parlament seinerseits einen Interessenkonflikt geltend und am 26. Oktober 2009 machte auch die Deutschsprachige Gemeinschaft von diesem Verzögerungsmechanismus Gebrauch.Jean-Luc Dehaene erhielt vom König den Auftrag, vor Ostern 2010 eine Lösung für Brüssel-Halle-Vilvoorde auszuarbeiten. Wegen des Fehlens eines Kompromisses stürzte die Regierung am 26. April 2010. Um zu verhindern, dass der Vorschlag über die Aufteilung dennoch eine Mehrheit im Parlament finden würde, leiteten die Parteien der französischen Sprachgruppe das Verfahren der Alarmglocke ein.Dadurch wurde das parlamentarische Verfahren ausgesetzt und es war an einem neuen Parlament, einen Kompromiss über Brüssel-Halle-Vilvoorde zu suchen.

Hintergründe

Die politisch-administrative Aufteilung des Bezirks ist historisch und sprachlich gewachsen. Der Abgrenzung der Wahlkreise lagen deutliche politisch-ideologische Motive zugrunde. De Antithese Stadt-ländlicher Raum spielte bei der Einteilung der Wahlberechtigten eine zentrale Rolle, da den Wählern in der Stadt im Allgemeinen liberalere Ideen, Freisinnigkeit und Progressivismus zugeschrieben werden, während der ländliche Raum mit einem konservativen katholischen Wähler assoziiert wird. Die Kombination der ländlichen Gemeinden mit den verstädterten Vorstädten von Brüssel in gemischten Stimmbezirken koppelte mit anderen Worten den wahltechnischen an den dem politischen Vorteil, weil auf diese Weise die radikaleren städtischen Strömungen abgeschwächt werden konnten. Im 20. Jahrhundert trat die Rolle dieser gemischten administrativen Abgrenzung während der Französisierung deutlicher in den Vordergrund. Die Verstädterung der Stadtränder der an den städtischen Ballungsraum grenzenden Gemeinden war dabei ein verstärkender Faktor. Ein wichtiger Teil des Wahlkreises, nämlich der Ballungsraum Brüssel, hatte ein zweisprachiges Statut und die Bevölkerung sprach überwiegend Französisch. Das Grenzgebiet fungierte als Treffpunkt für Ein- und Zweisprachige. Diese Interaktionen führten zu einem erhöhten Druck auf die niederländische Sprache, als Sprache mit einem niedrigen Status, durch die höhere französische Kultursprache. Grundlage war vor allem die angebliche Statuserhöhung, die mit der sprachlichen Anpassung einherging. Auch die nahe gelegene Sprachgrenze hatte in diesem Wahlkreis eine stark französisierende Wirkung.

Die in diesem Wahlkreis gewählten Volksvertreter bestimmten durch die Sprache, in der sie ihren Eid ablegten, zu welcher Sprachgruppe sie sich zählten. Die Anzahl niederländischsprachiger und französischsprachiger Vertreter im Parlament schwankte demzufolge je nach Wahl, und das globale Sprachverhältnis im Parlament wurde zum Großteil auf dem Grundgebiet dieses Stimmbezirks festgelegt.

Das Resultat dieser ambivalenten Situation war, dass Ansprüche des französischsprachigen Brüssel in Gemeinden des flämischen Randgebiets bestehen blieben. Französischsprachige Einwanderer behielten so die Möglichkeit, nicht nur in den sechs Gemeinden mit Fazilitäten, sondern in einem größeren Hinterland französischsprachige Kandidaten für Kammer und Senat zu wählen. Die französischsprachigen Bewohner konnten vom niederländischsprachigen Gebiet aus eigene französischsprachige Vertreter aus den flämischen Randgemeinden oder dem Ballungsraum Brüssel in die Kammer schicken, um dort ihre möglichen französischsprachigen Interessen zu vertreten. In den Augen der französischsprachigen Bevölkerung am Rand und der französischsprachigen Brüsseler blieben auf diese Weise die Türen für eine Erweiterung des Ballungsraums und des Fazilitätensystems einen Spalt geöffnet. Auch wenn diese Möglichkeit nicht ausdrücklich als Fazilität für die französischsprachige Bevölkerung in der Gesetzgebung beschrieben wurde, und auch nicht auf die sechs so genannten Fazilitätengemeinden beschränkt war, wurde sie als ein Entgegenkommen für die französischsprachige Bevölkerung im Randgebiet betrachtet. Anstatt die Sprachhomogenität auf allen Ebenen durchzuziehen, blieben die flämischen Gemeinden aus dem Stimmbezirk also eine Art Übergangszone zwischen dem zweisprachigen Ballungsraum Brüssel und dem vollständig niederländischsprachigen Gebiet.

Die heterogene Zusammenstellung des Wahlkreises bot jedoch auch für die flämischen Parteien in Brüssel Vorteile. Durch die Stimmen von niederländischsprachigen Wählern aus den flämischen Gemeinden des Stimmbezirks wurden die niederländischsprachigen Brüsseler noch auf eine eigene Parteiliste gewählt. Bei einer Spaltung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde würde dieser Vorteil entfallen. Daher wird in den Gesetzesvorlagen bezüglich der Spaltung von B-H-V die Apparentierung oder Listenverbindung so erhalten, wie sie gegenwärtig besteht. Brüsseler Listen könnten nach der Genehmigung des Spaltungsvorschlags entweder mit Listen der Provinz Flämisch-Brabant oder mit Listen der Provinz Wallonisch-Brabant apparentieren, jedoch niemals mit beiden zugleich. Gegenwärtig können in dem nicht gespalteten Wahlkreis B-H-V aufgestellte Listen entweder mit den Listen des Wahlkreises Löwen oder mit den Listen des Wahlkreises Wallonisch-Brabant apparentieren. Ohne Apparentierung hätten die flämischen Listen in Brüssel nur durch eine garantierte Vertretung eine Chance.

Die sechste Staatsreform

Nach der langen Regierungsform nach den Bundestagswahlen im Jahr 2010 stimmten die Mehrheitsparteien der Teilung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde zu. Im Juli 2012 billigte das Parlament nach dem Senat auch den Split-Vorschlag mit 106 zu 42 Stimmen. Der ehemalige Wahlkreis BHV, bestehend aus den 19 Gemeinden der Hauptstadtregion Brüssel und 35 flämischer Gemeinden Halle-Vilvoorde, wurde in zwei Wahlkreise aufgeteilt: den Wahlkreis Brüssel-Hauptstadt Region (19 Gemeinden) und die Wähler Vlaams-Brabant (eine Kombination aus dem früherer Wahlkreis Löwen und die Gemeinden Halle-Vilvoorde).
In diesem letzten Wahlbezirk sind Abstimmungen über Kandidaten, die in Brüssel entstehen, nicht mehr möglich, außer für die Bewohner der sechs Gemeinden mit Einrichtungen. In den Gemeinden Drogenbos, Kraainem, Linkebeek, Sint-Genesius-Rode, Wemmel und Wezembeek-Oppem Bewohner in der Tat können wählen, ob die Listen auf Brüssel stimmen, oder für die Parteien den Wahlkreis Flämisch-Brabant einzugeben. Am 25. Mai 2014 wird eine neue föderale Hemisphäre gewählt und auch Europawahlen werden stattfinden. Dies sind die ersten Wahlen seit der Spaltung und mit den neuen Wahlbedingungen. Es freut sich auf die Auswirkungen der neuen Klassifikationen insbesondere für die niederländischsprachige Vertretung in Brüssel und die Wahl der Einwohner der sechs peripheren Gemeinden.

In unserer Datenbank finden Sie noch viel mehr Dokumente. Die meisten sind nur verfügbar auf niederländisch. Sie können aber deutsche Stichwörter eintippen.

Veröffentlichungsart
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Kategorie
Gemeinschaftliche Verhältnisse
Wahlbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde
Politik, /Governance
Wahlen, Wahlsystem, Parteien
Region
Vlaamse Rand
Region Brüssel-Hauptstadt
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