Documentatiecentrum Vlaamse Rand, Rand-abc-fiche, 2012
Einführung
Aufgrund seiner Funktionen als mehrfache Hauptstadt ist Brüssel zu einer Großstadt mit kosmopolitischem Charakter herangewachsen, in der mehr als 100 Muttersprachen gesprochen werden. Seine Rolle als Machtzentrum der internationalen Politik und Wirtschaft sorgt für die Präsenz zahlreicher (inter)nationaler Entscheidungsorgane, ausländischer Organisationen und Firmensitze multinationaler Konzerne wie auch von geschätzten 160.000 ausländischen Arbeitsnehmern bzw. so genannten 'Expats'. Die Auswirkung der internationalen Rolle Brüssels ist auch in den umliegenden Gemeinden spürbar, in denen sich ebenfalls internationale Einrichtungen und Firmen sowie ihre Arbeitskräfte niederlassen.
Anziehungspol Brüssel
Brüssel übt als Hauptsitz der europäischen Einrichtungen und als Standort internationaler Organisationen wie der NATO große Anziehungskraft auf andere Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen aus, die dort ihre Hauptquartiere ansiedeln, und auf ausländische Firmen, welche die Nähe der Entscheidungsträger suchen, um ihre geschäftlichen Aktivitäten zu entfalten. Brüssel muss lediglich Washington DC in der Liste mit Weltstädten der internationalen Politik den Vorrang lassen. Es besitzt eine hohe Konzentration an Botschaften und Konsulaten (über 150) und zählt schätzungsweise 5.200 Diplomaten, 1.100 Journalisten und zwischen 15.000 und 20.000 Lobbyisten.2 Rund 40.000 Menschen sind in den europäischen Einrichtungen beschäftigt. Darüber hinaus sorgen auch die fast 300 regionalen Vertretungen, 2.500 andere internationale Einrichtungen, mehr als 2.000 multinationale Firmen und 150 internationale Anwaltskanzleien ihrerseits für mehrere Tausend Arbeitsplätze. Rechnet man noch logistische Dienstleistungen (Umzugsberater und Übersetzer) sowie andere Nebenaktivitäten dazu, kommt man auf eine geschätzte Zahl zwischen 120.000 und 160.000 Expats in Brüssel und dem Vlaamse Rand.3
Definitionen der Expats
Mit 'Expats' bzw. 'Expatriates' sind für gewöhnlich hoch qualifizierte ausländische Arbeitnehmer gemeint, die (alleine oder mit ihrer Familie) ihr Heimatland vorübergehend gegen ein Gastland eintauschen. Zumeist beschränkt sich ihr Aufenthalt auf drei bis vier Jahre. Es handelt sich vornehmlich um Bürger der EU-Mitgliedstaaten, die aus Beschäftigungsgründen nach Brüssel umgezogen sind, aber auch um Arbeitnehmer von Unternehmen aus den reicheren westlichen Ländern außerhalb Europas, deren Firma oder Organisation sie nach Belgien geschickt hat. In der Fachliteratur werden dieser Untergruppe bestimmte soziale Merkmale zugeschrieben. So handele es sich um eine gut bezahlte Elite mit transnationalem, kosmopolitischem Lebensstil, die oft wenig Interesse an und Verbundenheit mit der Gemeinschaft vor Ort zeige und sich in eigene Netzwerke zurückziehe. Das Herkunftsland, die höhere Bildung und soziale Stellung implizieren zugleich eine Unterscheidung zu 'gewöhnlichen' Migranten, die zu dem Zweck umgezogen sind, in einem anderen Land eine neue Zukunft und Arbeit zu finden, und von denen eine schnelle Integration in die lokale Gemeinschaft erwartet wird.
Verteilung
Expats lassen sich hauptsächlich in den Brüsseler Gemeinden, aber in zunehmendem Maße auch im Vlaamse Rand nieder. Dort hat fast einer von zehn Einwohnern eine nicht belgische Nationalität. Die Anzahl der Einwohner mit europäischen Wurzeln ist allerdings noch höher. In diesen Zahlen sind nämlich die naturalisierten Europäer nicht enthalten.4 Nicht alle Europäer in Brüssel und dem Vlaamse Rand sind Expats, ihre Zahl vermittelt jedoch einen Anhaltspunkt für ihre Bedeutung. In der Region Brüssel wird die Anzahl der Europäer auf 160.000 geschätzt. Dazu kommen ungefähr 35.000 Europäer, die ihren Wohnsitz im Vlaamse Rand haben. Vor allem die grünen, eher durch Wohnbebauung geprägten Gemeinden im Südosten von Brüssel sind offensichtlich begehrt.Aus einer jüngsten Studie von Willaert und Koelet zu den Ansiedlungsmustern von Europäern in Brüssel und dem Vlaamse Rand ging hervor, dass westeuropäische Immigranten vor allem in die im Südosten gelegenen Brüsseler Gemeinden und die angrenzenden Gemeinden im Vlaamse Rand ziehen. Die größten Gruppen von Westeuropäern leben in Kraainem, Tervuren, Wezembeek-Oppem, Overijse und Zaventem, wo sie rund 20 % und mehr der Bevölkerung ausmachen.5 Südeuropäer wohnen vor allem im Nordosten (Vilvoorde) und Südwesten (Sint-Pieters-Leeuw) sowie in den Ausläufern der Brüsseler Ansiedlungsstrukturen. Aus der Studie von Willaert und Koelet ging auch hervor, dass die Präsenz von Europäern im Vlaamse Rand in den letzten Jahrzehnten zwar deutlich zugenommen hat, vor allem durch den Zustrom aus der Brüsseler Hauptstadtregion, dass es sich aber dennoch um eine Bevölkerung handelt, die sich durch eine starke Verwurzelung und Integration kennzeichnet. Fast die Hälfte der Bevölkerung europäischer Herkunft wurde hier geboren, und rund ein Drittel der verheirateten oder zusammenlebenden Europäer im Vlaamse Rand hat einen belgischen Partner.6
Prozentsatz der Einwohner mit europäischer Nationalität (außer Belgiern) in den Gemeinden der Brüsseler Hauptstadtregion und des Vlaamse Rand, 1961 – 2008
De internationalisering van de Vlaamse Rand rond Brussel</a>, ASP, 2012, pp. 50-51." data-entity-type="file" data-entity-uuid="4e955eb5-4d0e-4f85-9548-169e5f493ab8" height="595" src="/sites/default/files/inline-images/Willaert_2012_internationalisering_rand.jpg" width="786" />
Empfangsstrukturen und eigene Netzwerken
Expats und Sprachgebrauch
Image
In einer früheren Studie hatte sich bereits herausgestellt, dass sich Expats ein eher negatives Bild vom heutigen Vlaamse Rand machen.10 Die Politik für dieses Gebiet, die darauf ausgerichtet ist, den niederländischsprachigen Charakter zu fördern, wird auch laut der Umfrage von Rudi Janssens wenig verstanden und als negativ wahrgenommen. Diese Haltung wird aber in dem Maße positiver, wie Niederländischkurse besucht wurden. Allgemein wird Zwei- oder Mehrsprachigkeit als positiv erfahren. Dies erklärt unter anderem auch, warum diese Gruppe eher geneigt ist, sich für eine mehrsprachige Schule zu entscheiden, und bei Wahlen auch mehr für zweisprachige Listen stimmt. Wiewohl die befragten Expats erklärten, gern in die Lokalpolitik eingebunden sein zu wollen, hat sich bei den letzten Kommunalwahlen erneut gezeigt, dass sich nur eine Minderheit der ausländischen wahlberechtigten Bevölkerung eingetragen hatte, um abstimmen zu können.11
English
Die oben erwähnte Studie vermittelt auch ein Bild des Sprachgebrauchs von Expats.12 Das Englische ist im Vlaamse Rand dominierend, sowohl bei Kontakten mit Freunden als auch mit den Nachbarn und beim ersten Kontakt mit dem Hausarzt oder im Krankenhaus. In Brüssel steht das Französische an erster Stelle. Im Arbeitsumfeld wird ebenfalls vornehmlich Englisch verwendet, und Französisch ist offensichtlich die Sprache des ersten Kontakts auf der Straße und beim Einkaufen.
Vor- und Nachteile
Die Folgen der europäischen und internationalen Berufung Brüssels und des damit einhergehenden Zuzugs ausländischer Arbeitskräfte trafen stets auf gemischte Gefühle. Der Einfluss auf den Vlaamse Rand wird auf unterschiedlichen Ebenen verortet. Die Präsenz europäischer Einrichtungen und ausländischer Firmen stellt einen starken Impuls für die Beschäftigung sowie für das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand (in der Region) dar. Die Gehälter sind dort recht hoch, was im Vlaamse Rand für relativ hohe Einkommen sorgt. Auch der Wert der Häuser ist dort in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Der Effekt auf die Preise am Wohnungsmarkt zählt allerdings auch zu den am häufigsten zitierten negativen Auswirkungen.13 Die Furcht vor einer sozialen Verdrängung kommt noch zu dem Druck auf den flämischen Charakter der Region aufgrund des Zustroms einer anderssprachigen Bevölkerung in die Gemeinden.14 Bevölkerungsprognosen sagen vorher, dass der Vlaamse Rand – genau wie Brüssel – auch in den kommenden Jahren mit einer erheblichen Bevölkerungszunahme, unmittelbar und über Abwanderung aus den Brüsseler Gemeinden, zu tun haben wird.
FUSSNOTEN
1 Im April 2012 wurde ein Kolloquium zum zunehmenden internationalen Charakter des Vlaamse Rand veranstaltet. Die Unterlagen enthalten Beiträge zu verschiedenen Aspekten der internationalen Präsenz in den Gemeinden rund um Brüssel. Degadt Jan, De Metsenaere Machteld, Devlieger Mieke, Janssens Rudi, Mares Ann en Van Wynsberghe Caroline (red.), De internationalisering van de Vlaamse Rand rond Brussel, ASP, 2012.
3 In Brussel-Europa in cijfers wird die Zahl zwischen 100.000 und 120.000 angesiedelt. Arjan Van Daal setzt eine geschätzte Zahl von 160.000 an, wovon 25 % außerhalb der Region Brüssel wohnen. Van Daal Arjan, BruXpats. Het onthaal, het verblijf en de positie van expatrianten in Brussel, 2006, p. 7. Siehe auch Janssens Rudi, Taalkennis van integratie van expats in de Rand rond Brussel, in: Degadt Jan, e.a. (red.), 2012, pp. 72-90 en Gatti Emanuele, Een definitie van de expats: hoogopgeleide migranten in Brussel, in: Brussels Studies, nr. 28, 2009.
5 Lokale Inburgerings- en Integratiemonitor 2012, Lokale Statistieken, Studiedienst van de Vlaamse Regering.
WEITERE INFORMATIONEN
- Bernard Nicolas, De impact van de Europese Unie op het vastgoed in Brussel: tussen cliché en onderschatting, in: Brussels Studies, 21, september 2008.
- Corijn Eric, Macharis Cathy, Jans Theo en Huysseune Michel, De impact van internationale instellingen in Brussel: een benadering vanuit een multicriteria-analyse, in: Brussels Studies, 23, december 2008.
- De Groof Roel (red.),Brussels and Europe, Bruxelles et l'Europe, Brussel, ASP, 2008.
- De Gruyter Caroline, De Europeanen. Leven en werken in de hoofdstad van Europa, De Bezige Bij, 2006.
- Deschouwer K. & Mariette D., De westerse migranten in Brussel en in de rand, in: Brusselse Thema's1, VUBPRESS, Brussel, 1993.
- Gatti Emanuele, Een definitie van de expat: hoogopgeleide migranten in Brussel, in: Brussels Studies, 28, augustus 2009.
- Gall Yann, Brussel, Hoofdstedelijk Gewest voor 450 miljoen burgers, 2005.
- Hermia J.-P. & Perrin N., L'implantation des ressortissants européens à Bruxelles: Des logiques migratoires originales?, in: Chaire Quetelet 2003, Elargissement de l'Union européenne: Enjeux et implications socio-démographiques, Louvain-la-Neuve, Academia/Bruylant, 2003.
- Vandermotten Christian, Biot Valérie, Van Hamme Gilles, e.a. Impact socio-économique de la présence des institutions de l'Union européenne et des autres institutions internationales en Région de Bruxelles-Capitale. Eléments de mesure, ULB, IGEAT, mars 2007.
- Vermeyen Anouk, De woningmarkt in de rand rond Brussel: evoluties en knelpunten, Leuven, licentiaatsverhandeling KULeuven, 2007.
- Willaert Didier, De recente internationalisering van het Brussels gewest en de Vlaamse Rand, Interface Demography Working Paper 2010-2, Vakgroep SOCO, Vrije Universiteit Brussel, 2010.