Documentatiecentrum Vlaamse Rand, Rand-abc-fiche, 2013

In und um Brüssel liegen vier Europäische und rund 20 internationale Schulen, die zusammen über 15.000 Schüler haben.1 Die meisten dieser Schulen befinden sich im südöstlichen Brüssel oder im Südosten des Vlaamse Rand, mit anderen Worten: genau dort, wo die höchsten Konzentrationen von ausländischen Einwohnern zu finden sind. Das Zielpublikum dieser Schulen besteht daher aus den Kindern der so genannten 'Expats', ausländischer Arbeitnehmer von internationalen Firmen oder Organisationen. Da wenige Studien und Basisdaten vorliegen, sind Größe und Entwicklung dieser Schulen – genau wie ihre Auswirkung auf die Umgebung – schwer zu eruieren. Es handelt sich darüber hinaus um Privatschulen, über die keine offiziellen Daten, etwa zu den Schülerzahlen, veröffentlicht werden. Die Anzahl der Kinder in Brüssel, die internationale oder Europäische Schulen besucht, wird auf 4 % geschätzt. Für den Vlaamse Rand ist ein solcher Schätzwert jedoch nicht verfügbar.
Europäische gegenüber internationalen Schulen
Europäische Schulen wurden von der EU eingerichtet und waren ursprünglich für die Kinder von Arbeitnehmern der europäischen Einrichtungen gedacht. Diese profitieren von einem Vorrang und günstigeren Zugangsregeln. Für andere ist es sehr schwierig, an einer Europäische Schule aufgenommen zu werden, da auch diese Schulen mit einem Kapazitätsproblem zu tun haben. Im Jahr 2012 eröffnete eine neue Europäische Schule in Laeken, und auch diese erreichte beinahe sofort die maximale Kapazität von 2.500 Schülern. Mit der Ansiedlung dieser vierten Europäischen Schule in einer ganz anderen Gegend auf der anderen Seite der Stadt wollte man unter anderem die EU-Familien animieren, sich auch in anderen Gebieten der Region niederzulassen.2 Bei der Suche nach einem Standort für eine fünfte Europäische Schule wurde sehr darauf gedrungen, dass diese sich 'in der Nähe der wichtigsten Arbeits- und Wohngebiete des EU-Personals' befindet, wobei das Bemühen, die Anwesenheit dieser hoch qualifizierten Einwohner mehr über die Region zu verteilen, in den Hintergrund gerät.3
Die Europäischen Schulen profilieren sich als Einrichtungen, in denen mehrsprachige Erziehung angeboten wird. Kinder erhalten dort Unterricht in der Muttersprache, doch ab der ersten Klasse lernen sie auch bereits eine zweite Sprache und ab dem zweiten Jahr eine dritte kennen. Nachdem sie die Europäische Schule erfolgreich absolviert haben, erhalten sie das Europäische Abitur. Mit diesem haben sie in ganz Europa Zugang zur Universität.
Alle Europäischen Schulen liegen auf dem Territorium der Hauptstadtregion Brüssel. Internationale Schulen hingegen gibt es sowohl in den Brüsseler Gemeinden als auch in den umliegenden Gemeinden, konkret in Kraainem, Overijse, Sint-Genesius-Rode, Tervuren, Wezembeek-Oppem und Zaventem. Außerdem wurden auch in Lasne, Waterloo, Braine l’Alleud, Wavre, Court-Saint-Etienne und Leuven internationale Schulen eingerichtet.Die internationalen Schulen im Vlaamse Rand liegen genau in den Gemeinden, in denen größere Gruppen von (hoch qualifizierten) ausländischen Migranten wohnen, und seinerseits zieht das Vorhandensein dieser Schulen neue ausländische Einwohner an. Bei der Wahl eines Wohnortes spielen für Expats mehrere Faktoren eine Rolle: Die Nähe der Arbeit und ein attraktives Wohnumfeld stehen hoch oben auf der Wunschliste, aber auch das Vorhandensein einer geeigneten Schule hat sehr große Bedeutung.4 Dabei lassen sich ausländische Eltern von Informationen leiten, die über soziale und berufliche Netzwerke weitergegeben werden, und auch dies verstärkt die Konzentrationen bestimmter Nationalitäten in Gemeinden des Vlaamse Rand. Dort wo die Präsenz hoch qualifizierter Ausländer größer ist, befinden sich auch die Schulen, und andersherum lassen sich viele Expats offensichtlich nahe den Schulen nieder, wo darüber hinaus bereits viele dieser Expats leben. So fällt zum Beispiel die Präsenz von Niederländern in Overijse, Deutschen in Wezembeek-Oppem und Britten in Tervuren auf.

Steunpunt Sociale planning, Minderheden in Vlaams-Brabant, 2010, p. 100.
Karte: Internationale und Europäische Schulen in und um Brüssel,Steunpunt Sociale planning, Minderheden in Vlaams-Brabant, 2010, S. 100.
Bei der Schulwahl wird auch die Ausgangssituation des Kindes berücksichtigt. Auf welcher Schule hat es vorher Unterricht erhalten? In welcher Sprache? Und welche Schule bietet die meisten Möglichkeiten, um eventuell nachher – bei einer Rückkehr ins Heimatland – den Faden in den Schulen dort wieder aufzunehmen? Natürlich entscheiden sich nicht alle ausländischen Einwohner für die internationalen Schulen. Angesichts seines guten Rufs optieren auch viele Expats im Vlaamse Rand für das niederländischsprachige Unterrichtssystem. Dabei spielen praktische Faktoren eine Rolle: Nicht nur ist den Chance auf einen Platz in einer öffentlichen Schule in der Nähe größer, sondern auch das Preisschild ist ein ganz anderes. Bei Expats, die länger hier wohnen, gilt auch die integrierende und soziale Rolle als Argument, um sich für eine öffentliche Schule zu entscheiden und Niederländisch zu lernen. Die Kapazitätsproblematik, mit der Brüssel und auch andere Großstädte zu kämpfen haben, sorgt jedoch für zusätzliche Hemmschwellen bei den Bildungswegen vor Ort. Ausländische Eltern müssen sich oft lange im Voraus damit befassen, Informationen zu sammeln und die Anmeldung durchzuführen. Internationale Schulen dagegen bieten flexible Einstiegsmöglichkeiten im Laufe des Schuljahre.
Angebot und Lehrplan
Teure Privatschulen
Der öffentliche und subventionierte Unterricht in Belgien ist nahezu kostenlos. Bei den internationalen Schulen ist das nicht der Fall. Die Anmeldegebühr liegt im Gegenteil besonders hoch, nämlich zwischen 13.000 und 25.000 €. Häufig ist das Schulgeld Teil des Leistungspakets (des 'Expat Package Deal') im Arbeitsvertrag, den der Arbeitnehmer als Elternteil mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat. Je nach Verhandlungsspielraum und Schwere der Wirtschaftskrise wird das Schulgeld darin ganz, zum Teil oder nur für ein Kind übernommen. Die internationalen Schulen werden als exklusive, prestigeträchtige Eliteschulen angesehen, wiewohl die Montessori-Schulen einen recht alternativen Unterrichtsansatz bieten.
Mehrsprachiger Unterricht
Auswirkung der internationalen Schulen
Weitere Untersuchung
Über die internationalen Schulen sind kaum grundlegende Untersuchungen vorhanden. Es handelt sich um Privatschulen, die nicht der Aufsicht des Flämischen Ministerium für Bildung und Unterricht oder der Französischen Gemeinschaft unterliegen. Daher sind auch nur wenige statistische Informationen vorhanden. Die einzigen Daten stammen aus Publikationen der Schulen selbst oder von Informationen auf den Websites der Schulen. Dies vermittelt jedoch, auch wegen der sehr unterschiedlichen Art der Schulen – sowohl bei Größe und Projekt als auch bei der Art der Daten – ein sehr unvollständiges Bild. Auch der Einfluss dieser Schulen auf die Umgebung ist bis dato unbekannt. Da es jedoch um eine beträchtliche Zahl von Schülern geht, die aufgrund der internationalen Rolle Brüssels eventuell noch weiter steigen wird, und die Problematik eng mit der von Internationalisierung und zunehmender Dualisierung der Gemeinschaft zusammenhängt, ist eine weitere Untersuchung sicherlich angezeigt.
Fußnoten
1 Es handelt sich um näherungsweise Angaben auf Basis von Zahlen, die auf der Rondetafelconferentie over het Nederlandstalig Onderwijs in Brussel (RTCB-Nota, De specificiteit van het Vlaamse onderwijs in het Brussels Hoofdstedelijk Gewest, 2007), verbreitet wurden, ergänzt um die Schülerkapazität der neuen Europäischen Schule in Laeken.
2 Die Europäischen Schulen entstanden 1957, um den Kindern von Europabeamten mehrsprachigen Unterricht zu erteilen. In Brüssel befinden sie sich in Ukkel, Woluwe, Elsene und Laeken und bieten insgesamt über 10.000 Schülern einen Platz. Gewestelijk plan voor duurzame ontwikkeling, Cahier van het ATO/ADT, 2011, pp. 143, en Verbindingsbureau Brussel en Europa, Expats in Brussel, Wie zijn zij?
3 Raad van de Europese Unie, Verslag van de Commissie aan het Europees Parlement en de Raad. Het systeem van de Europese scholen in 2011, Brussel, 9 januari 2013, pp. 9-10 & 12.
4 Dies ist einer der Gründe, aus denen die Suche nach einem geeigneten Standort für eine vierte Europäische Schule in Brüssel auch Anlass zu Diskussionen im Flämischen Parlament gab. Die Nähe einer internationalen oder Europäischen Schule wird nämlich als entscheidender Faktor bei der Wahl eines Wohnortes durch Expats angesehen, und es bestand die Sorge, dass die Ansiedlung der neuen Schule am Rande der Brüsseler Hauptstadtregion für einen Zufluss neuer anderssprachiger Immigranten in den Vlaamse Rand sorgen würde. Vergadering Commissie voor Brussel en de Vlaamse Rand, 27 maart 2003, en Commissie voor Wonen, Stedelijk Beleid, Inburgering en Gelijke Kansen, Vergadering, 13 maart 2008.
5 Das International Baccalaureat (IB) ist der bekannteste internationale Lehrplan, der auf der ganzen Welt anerkannt wird. Er unterteilt sich in Primary Years Programme (PYP, 3-12 Jahre), Middle Years Programme (MYP, 12-16 Jahre) und Diploma Programme (DP, 16-18 Jahre). Das IGSCE ist die internationale Variante des britischen General Certificate of Secundary Education (GCSE) für Schüler von 12 bis 16 Jahren. Es schließt mit einem eigenen Zeugnis ab und kann mit dem Advanced International Certificate of Education (AICE, von 16 bis 18 Jahren) als Ziel fortgesetzt werden, welches Recht auf einen Zugang zu Hochschul- und Universitätsstudium gibt.
6 Die Sprachenfreiheit ist in Artikel 30 des Grundgesetzes festgelegt. Für den öffentlichen und subventionierten Unterricht gilt 'Unterricht = Regionalsprache' als Ausgangspunkt. Der Unterricht in den Gemeinden mit sprachlicher Sonderregelung kann als Ausnahme von dieser Regel angesehen werden.
7 Auf die Anziehungskraft des mehrsprachigen Unterrichts wird hingewiesen in: Janssens Rudi, Taalkennis van integratie van expats in de Rand rond Brussel, in: Degadt Jan, De Metsenaere Machteld, Devlieger Mieke, Janssens Rudi, Mares Ann en Van Wynsberghe Caroline (red.), De internationalisering van de Vlaamse Rand rond Brussel, ASP, 2012, pp. 72-90 enHousen Alex, Multilingual Development in the European Schools, in De Groof Roel (ed.), Brussels and Europe, Bruxelles et l’Europe, ASP, 2008, p. 455.
8 Bart Claes, Internationale Scholen worden internationaler, in: Randkrant, pp. 4-5.
9 Vermeyen Anouk, De woningmarkt in de rand rond Brussel: evoluties en knelpunten, Leuven, licentiaatsverhandeling KULeuven, 2007. Der eventuelle nachteilige Einfluss des Kommens einer vierten Europäischen Schule in Laeken sowie die nachteiligen Auswirkungen in Wemmel, Meise und Grimbergen wurden hier thematisiert. Dies gab Anlass zu einer Debatte. Bei dieser baten flämische Politiker um eine bessere Verteilung der Schulen und ein Mitspracherecht bei der Ansiedlung von Europäischen Schulen wegen des vermeintlichen Effekts auf den Wohnungsmarkt. Vergadering Commissie voor Brussel en de Vlaamse Rand, 27 maart 2003, en Commissie voor Wonen, Stedelijk Beleid, Inburgering en Gelijke Kansen, Vergadering, 13 maart 2008.
10 So geht aus der Studie von Anouk Vermeyen hervor, dass ein Großteil der Schüler an den Europäischen Schulen in Ukkel und Elsene im Vlaamse Rand wohnt.
11 Dieser Aspekt wurde ebenfalls angesprochen bei den oben erwähnten Beratungen in der Commissie voor Brussel en de Vlaamse Rand sowie in Daniël Derudder (2009), De Vlaamse Rand: socio-economisch profiel en een blik op het Vlaams karakter, Studiedienst van de Vlaamse Regering, SVR-Rapport 2009/5.
LINKS
- Portaalsite PLOTEUS
- Map met alle internationale scholen en hun adressen, Greater Brussels, International Schools