Documentatiecentrum Vlaamse Rand, Rand-ABC-fiche, april 2013
In Belgien wurde eine Anzahl von Institutionen gegründet, die zum Ziel haben, die Beziehungen zwischen den Sprachgemeinschaften zu pazifizieren. Die nach gemeinschaftlichen Verhandlungen zustande gekommene Sprachgesetzgebung ließ ja Raum für weitere Interpretationen. Die Empfehlungen der Ständigen Kommission für Sprachenkontrolle (SKSK) dienen zur Beseitigung der Meinungsunterschiede infolge solcher Undeutlichkeiten. Daneben überprüft ein Vizegouverneur für Brüssel-Hauptstadt die Anwendung der Sprachgesetzgebung in den Brüsseler Gemeinden und für Beschwerden oder Verstöße in den sechs Randgemeinden gibt es den Beigeordneten des Gouverneurs der Provinz Flämisch-Brabant.
Die Ständige Kommission für Sprachenkontrolle ist eine beratende Institution, die über die strikte Anwendung der Sprachgesetzgebung wachen muss. Im Fall einer Beschwerde oder eines Verstoßes bei einem Öffentlichen Dienst (föderal, gemeinschaftlich, regional, Provinzen, Gemeinden oder gleichgesetzte Verwaltungen), kann die Ständige Kommission für Sprachenkontrolle eine Untersuchung anstellen und eine Empfehlung formulieren. Diese Empfehlungen sind nicht rechtsverbindlich. Privatpersonen können bei der SKSK eine Beschwerde einreichen (per Einschreiben und gerichtet an den Vorsitzenden) und auch ein Minister soll die SKSK für Beratung zur Sprachgesetzgebung bei diesbezüglichen Initiativen in Anspruch nehmen. Die Ständige Kommission befasst sich ebenfalls mit der Aufsicht über die im Sprachengesetz vorgesehenen Sprachprüfungene.1
Aktivitäten
Es gibt eine niederländischsprachige und eine französischsprachige Abteilung, und die beiden treffen sich in einer Vereinigten Versammlung. Die Abteilungen sind für die ihr Sprachgebiet anbetreffenden Angelegenheiten in Gemeinden ohne Sonderregelung zuständig. In der Vereinigten Versammlung werden Sachen behandelt, welche die Brüsseler Gemeinden, die Fazilitätengemeinden oder das deutsche Sprachgebiet anbetreffen, oder welche die Sprachgesetzgebung übersteigen, wie den Minderheitenschutz. Es gibt Unterschiede was die Zuständigkeiten anbetrifft, je nach den Vorschriften in den jeweiligen Sprachgebieten. So überprüft die niederländischsprachige Abteilung auch die Befolgung des Dekrets vom 19. Juli 1973 zur 'Regelung des Gebrauchs der Sprachen im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie in den durch die Gesetze und Verordnungen vorgeschriebenen Handlungen und Dokumenten der Unternehmen'. Die SKSK zählt einen (zweisprachigen) Vorsitzenden und 11 Mitglieder, die jeweils für eine Periode von 4 Jahren ernannt sind. Die Kandidaten werden vom flämischen, wallonischen und deutschen Gemeinschaftsrat vorgeschlagen und der Vorsitzende von der Abgeordnetenkammer.
Die Vereinigte Versammlung
Die Vereinige Versammlung befasst sich also mit Angelegenheiten, die nicht über sprachhomogene Gebiete handeln. Die Versammlung besteht aus 5 niederländischsprachigen und 5 französischsprachigen Mitgliedern, ergänzt um ein deutschsprachiges Kommissionsmitglied, das nur dann konsultiert wird, wenn Gemeinden aus dem deutschen Sprachgebiet oder aus der Malmedyer Gegend beteiligt sind. Im Hinblick auf die Parität in der Zusammensetzung hat der Gesetzgeber auch eine Regelung ausgearbeitet für den Fall, dass die Kommissionsmitglieder keine Übereinstimmung über eine bestimmte Beschwerde erreichen. Wenn keine Empfehlung formuliert werden kann innerhalb von 180 Tagen nach dem Einreichen einer Beschwerde, kann der Innenminister die Verantwortlichkeit auf sich nehmen und innerhalb von 30 Tagen eine Empfehlung formulieren. Wenn diese Frist überschritten wird, ist die SKSK dennoch dazu verpflichtet, die Beschwerden zu behandeln; in anderen Worten, die Beschwerde verfällt nicht wenn die Frist von 180 Tagen überschritten ist.Die Entscheidungen der SKSK werden in der Form von Gutachten abgegeben, wodurch die beteiligten Behörden die endgültige Entscheidungszuständigkeit erhielten und sie die Empfehlungen deshalb auch nicht beachten mussten. Die Empfehlungen befassen sich oft mit Interpretationen von undeutlichen Bestimmungen in der Sprachgesetzgebung, über die es auf politischer Ebene eine grundsätzliche Uneinigkeit zwischen den Gemeinschaften gibt.
Hintergrund
Die Ständige Kommission wurde 1932 errichtet, deren Aufgabe es war, zu überprüfen, ob die Sprachgesetze nachgekommen wurden. Sie war aus 6 Mitgliedern zusammengesetzt, die für 4 Jahre vom König ernannt wurden. Sie wurden aus den Mitgliedern der flämischen und französischen Königlichen Akademie der Sprache und Literatur gewählt. Dieses neue Gremium musste die strikte Anwendung der Sprachgesetze in der Verwaltung, in der Justiz und im Unterricht überprüfen, hatte jedoch nur eine beratende Zuständigkeit. Diese Kommission konnte auch erst auftreten, nachdem eine Beschwerde eingereicht worden war. Diese Beschwerde wurde dann zusammen mit der Empfehlung zu einer Lösung der Regierung ausgehändigt. Aufgrund des umständlichen Verfahrens und des Mangels an sanktionierender Zuständigkeit, blieb es jedoch möglich, allerlei Übertretungen zu begehen. Die höhere Verwaltung war ja von Französisch Sprechender dominiert, welche die Sprachgesetze oft als eine unerwünschte Einmischung von oben empfanden.

Diese Haltung führte zu neuen Enttäuschungen an flämischer Seite und zu außerparlamentarischen Aktionen. Während der Besatzung änderte sich der Auftrag der Ständigen Kommission. Unter dem Vorsitz von Flor Grammens2 erhielt die Kommission ab Dezember 1941 jedoch Untersuchungsmöglichkeiten und einen Stab von 36 Mitgliedern. Für die Kommission Grammens war das Anpacken von Missständen im Unterricht eine Priorität. Die Sprachgesetze vom 1932 basierten sich auf dem Prinzip 'Gebietssprache = Unterrichtssprache' und in Brüssel wurde von der Sprache des Familienoberhaupts ausgegangen. Die Kontrolle über die Muttersprache des Kindes blieb aber aus, sodass der Unterricht den 'Französisierungsmechanismus' par excellence blieb. Während der Besatzung organisierte die Kommission Grammens zwar Kontrollen der Sprachenerklärungen der Familienoberhaupte. Die Kontrollen ergaben, dass von den 37.530 Schülern in den französischsprachigen Klassen eigentlich 15.778 niederländischsprachig waren. Nach Gegenkontrollen vom Ministerium des öffentlichen Unterrichts würden schließlich nur einige Hunderte von Schülern vom französischsprachigen in den niederländischsprachigen Unterricht versetzt. Trotz dieses geringen Ergebnisses wirkte sich diese Sache auch nach der Befreiung auf die gemeinschaftlichen Beziehungen aus. Ab den sechziger Jahren würde die ‘liberté du père de famille’ zu einem der wichtigsten Symbolen des französischsprachigen Widerstands gegen die Sprachgesetzgebung. 1946 wurde wiederum eine Kommission für Sprachenkontrolle installiert, wie es 1932 vom Gesetzgeber festgelegt wurde. Die Kommission Grammens wurde aufgehoben und die Bestimmungen aus der Zeit vor der Besatzung traten wieder in Kraft. Die Ständige Kommission für Sprachenkontrolle erschien erst in ihrer heutigen Form nach dem Sprachenkompromiss von Hertoginnedal (1963) und den daraus entstandenen Sprachgesetzen.
Hertoginnedal und das Sankt-Michaels-Abkommen
Am 23. März 1964 wurde die Ständige Kommission für Sprachenkontrolle wiederum gegründet. Die Anwendung der Sprachgesetze kann ohne schlagkräftige Kontrollmechanismen ja nicht gewährleistet werden, so hat sich herausgestellt. Mit dem Sankt-Michaels-Abkommen wurden die Befugnisse der SKSK erweitert. Während die Kommission vorher nur eine beratende Funktion hatte, ist sie jetzt theoretisch dazu ermächtigt, gegen Verstöße gegen die Sprachengesetzgebung vorzugehen. Beteiligte Privatpersonen aus der Region Brüssel-Hauptstadt, den Fazilitätengemeinden oder dem deutschen Sprachgebiet können bei der SKSK eine Beschwerde zum Sprachgebrauch der Verwaltung in den Beziehungen mit Privatpersonen und mit dem Publikum einreichen. Die Kommissionsmitglieder können auch selbst entscheiden, Sachen zu behandeln, bei denen kein direktes Interesse von Privatpersonen nachweisbar ist. Innerhalb von 45 Tagen muss die Vereinigte Versammlung der Ständigen Kommission eine Empfehlung formulieren, ggf. mit einem Mahnschreiben dazu, das der Person, welche die Beschwerde einreicht, den beteiligten Behörden und dem Minister der Inneren Angelegenheiten zugestellt wird. Eine wichtige Änderung seit dem Sankt-Michaels-Abkommen besteht darin, dass falls einer solchen Mahnung nicht befolgt wird, die SKSK selbst Maßnahmen nehmen kann, damit die Befolgung der Sprachgesetzgebung gewährleistet wird. Diese sogenannte Subrogationsbefugnis wurde jedoch noch nicht benutzt.
Übersicht der Anzahl der behandelten Sachen im Zeitraum 1995-2015
Grafik 1: Anzahl der eingereichten Sachen bei der Ständigen Kommission, Vereinigte Versammlung, Periode 1995-2015

Grafik 2: Anzahl der abgegebenen Empfehlungen Sachen bei der Ständigen Kommission, Vereinigte Versammlung, Periode 1995-2015

Grafik 3: Eingereichte und behandelte Sachen in der französischsprachigen und niederländischsprachigen Abteilung der Ständigen Kommission für die Sprachkontrolle, 1995-2015

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